Der Typenvergleich im deutschen Steuerrecht

Im Grundsatz sind Gesellschaften steuerlich nur dann als Kapitalgesellschaften zu behandeln, wenn das deutsche Recht dies ausdrücklich vorsieht. Ausländische Gesellschaften gelten daher zunächst als Personengesellschaften, wenn nicht anhand eines Typenvergleichs ausdrücklich festgestellt werden kann, dass sie Kapitalgesellschaften sind.

Kapitalgesellschaften im Steuerrecht

Die steuerrechtliche Einordnung einer Gesellschaft als Kapitalgesellschaft (Körperschaft) ist von der handelsrechtlichen und bürgerlich-rechtlichen Einordnung zu unterscheiden. Zentrale Aspekte von Kapitalgesellschaften wie die Organisation und Verantwortlichkeit der Geschäftsführung, Haftungsbeschränkung oder die Voraussetzungen einer Durchgriffshaftung werden von der steuerlichen Einordnung nicht beeinflusst. Lässt sich beispielsweise eine Personengesellschaft nach § 1a KStG freiwillig als Körperschaft veranlagen (optierende Gesellschaft), so wirkt sich dies nicht auf die handelsrechtlichen Rechte und Pflichten der Gesellschafter und der gesetzlichen Vertreter aus. Lediglich die Behandlung von Erträgen, Ausschüttungen und Betriebsvermögen, wie sie in der Steuerbilanz dokumentiert werden, durch die zuständigen Finanzbehörden ändern sich.

Zu den steuerrechtlichen Körperschaften im deutschen Recht gehören die GmbH, die AG, die KGaA, die SE, Genossenschaften und Vereine sowie auf Antrag (§ 1a KStG) die Personenhandelsgesellschaften OHG und KG und Partnerschaftsgesellschaften nach dem PartGG.

Besteuerung von Personengesellschaften

Personengesellschaften sind steuerlich transparent. Ihr Betriebsergebnis wird vom zuständigen Finanzamt separat festgestellt (§ 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a AO) und den Eigentümern anteilig zugerechnet. Die Eigentümer versteuern das anteilige Einkommen im selben Jahr als Einkommen aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus Land- und Forstwirtschaft (je nach Unternehmensgegenstand). Der Steuersatz hängt von den persönlichen Umständen des jeweiligen Gesellschafters ab (u.a. § 32a EStG).

Einzelunternehmer und an Personengesellschaften beteiligte Steuerpflichtige können sich gezahlte Gewerbesteuern gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG auf die Einkommensteuer anrechnen lassen, begrenzt auf einen Hebesatz (§§ 14, 16 GewStG) von 400 %.

Besteuerung von Kapitalgesellschaften

Kapitalgesellschaften zahlen keine Einkommensteuer, sondern an deren Stelle Körperschaftsteuer (§ 1 KStG) und im Regelfall (s.u.) Gewerbesteuer. Einkommen, das eine Kapitalgesellschaft erzielt, wird nicht ihren Gesellschaftern zugerechnet (anders nur in Fällen des § 7 AStG), sondern verbleibt im eigenen Vermögen der Kapitalgesellschaft, bis eine Gewinnausschüttung beschlossen wird.

Die Gesellschafter versteuern ausgeschüttete Gewinne als persönliches Einkommen. Hierbei sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden:

  1. Natürliche Personen, die an einer Kapitalgesellschaft beteiligt sind, erzielen durch die Ausschüttung Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 EStG), welche nach § 32d EStG besteuert werden. Unter den Voraussetzungen des § 32d Abs. 3 Nr. 3 EStG kann stattdessen eine Besteuerung nach §§ 32a, 3 Nr. 40 EStG (persönlicher Steuersatz im Teileinkünfteverfahren) stattfinden.
  2. Kapitalgesellschaften, die zu weniger als zehn Prozent an einer anderen Kapitalgesellschaften beteiligt sind, versteuern deren Ausschüttungen als körperschaftliches Einkommen mit der vollen Körperschaft- und Gewerbesteuer.
  3. Kapitalgesellschaften, die zu mehr als zehn Prozent, aber weniger als fünfzehn Prozent an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt sind, versteuern nur 5 % des ausgeschütteten Betrages mit der Körperschaftsteuer (§ 8b Abs. 5 KStG), aber den vollen Betrag mit der Gewerbesteuer.
  4. Kapitalgesellschaften, die zu mindestens fünfzehn Prozent an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt sind, versteuern nur 5 % des ausgeschütteten Betrages mit der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer.

Die Besteuerung der ausgeschütteten Beträge richtet sich allerdings ausschließlich nach den persönlichen Verhältnissen des Beteiligten und ist von der Besteuerung des von der Kapitalgesellschaft erzielten Gewinns vollkommen unabhängig.

Von der Körperschaftsteuer kann die Gewerbesteuer nicht abgezogen werden. Die Gewerbesteuer tritt daher in vollem Umfang neben die Körperschaftsteuer. Zudem sind die Genossenschaft, die GmbH, die AG, die SE und die KGaA immer gewerbesteuerpflichtig, unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit (§ 2 Abs. 2 GewStG, § 8 Abs. 2 KStG). Das bedeutet, dass auch Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit oder aus Land- und Forstwirtschaft gewerbesteuerpflichtig werden, wenn das Unternehmen beispielsweise als GmbH organisiert ist.

Die Besteuerung des Gewinns eines Unternehmens und seiner Eigentümer unterscheidet sich also erheblich danach, ob das Unternehmen in Form einer Personengesellschaft oder einer Kapitalgesellschaft betrieben wird.

Typenvergleich und Steuerpflicht

Bei Beteiligungen an im Ausland gelegenen Gesellschaften sind die Konsequenzen der Einstufung als Personen- oder Kapitalgesellschaften sogar noch gravierender als bei inländischen Beteiligungen. Sie ist unter anderem erheblich, um festzustellen,

  1. welche Meldepflichten nach §§ 138 ff. AO gelten und innerhalb welcher Frist die Meldungen abgegeben werden müssen,
  2. ob Gewinne in dem Jahr versteuert werden müssen, in dem sie initial anfallen (Personengesellschaft) oder in dem sie ausgeschüttet werden (Kapitalgesellschaft),
  3. ob und in welcher Höhe eine Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG festgesetzt wird,
  4. ob eine Betriebsstätte festgestellt werden kann oder betriebsstättenlose Einkünfte vorliegen,
  5. ob und in welcher Höhe im Ausland gezahlte Steuern oder einbehaltene Quellensteuern im Inland gutgeschrieben, in Abzug gebracht oder erstattet werden können.

Wer es als Steuerpflichtiger versäumt, eine korrekte, idealerweise verbindliche Einstufung seiner Beteiligung einzuholen, läuft daher leicht in Gefahr, Mitwirkungspflichten zu verletzen, Steuern zu verkürzen oder einer vermeidbaren Doppelbesteuerung ausgesetzt zu sein.

Der Typenvergleich

Der Typenvergleich oder Rechtstypenvergleich beruht auf der sogenannten Venezuela-Entscheidung des Reichsfinanzhofes vom 12.02.1930 (Az. VI A 899/27), dessen Grundsätze vom BFH in Urteilen vom 17.07.1968 (Az. I 121/64) und vom 16.12.1992 (Az. I R 32/92) aufgegriffen und angewendet wurden. Der RFH hat eine Reihe von Indikatoren herausgearbeitet, anhand derer ausländische Gesellschaften mit solchen des deutschen Rechtes verglichen werden können.

  1. Geschäftsführung und Vertretung: in Personengesellschaften erfolgt die Geschäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft in aller Regel durch die Gesellschafter als Gemeinschaft. Die Bestellung eines externen Geschäftsführers oder die Bündelung der Verantwortlichkeiten bei bestimmten Gesellschaftern spricht für eine körperschaftliche Organisation.
  2. Haftungsbeschränkung: eine allgemeine Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen ist ein starker Indikator für das Vorliegen einer Kapitalgesellschaft. Alleine genügt dieses Kriterium jedoch nicht zur Einordnung, wie das Beispiel der KG oder der PartG mbB zeigen.
  3. Übertragbarkeit von Anteilen: Wenn Anteile ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter nach Belieben an Dritte übertragen werden können, ist dies ebenfalls ein starker Indikator für eine körperschaftliche Organisation.
  4. Gewinnverwendung: Wenn eine Gewinnausschüttung von den Gesellschaftern beschlossen werden muss und keine automatische Zurechnung der Gewinne erfolgt, indiziert dies eine körperschaftliche Organisation. Es kommt hierbei primär auf die gesellschaftsrechtliche Regelung und nur sekundär auf das Steuerrecht des ausländischen Staates an.
  5. Gewinnanteile: richtet sich die Aufteilung der Gewinne ausschließlich nach den nominalen Beteiligungsverhältnissen, indiziert dies eine körperschaftliche Organisation. Ist hingegen eine erfolgs- oder aufwandsabhängige Komponente vorgesehen, die sich an der unternehmerischen Leistung eines oder mehrerer Gesellschafter bemisst, spricht dies für das Vorliegen einer Personengesellschaft, da die Rechtsfigur des Mitunternehmers bei Kapitalgesellschaften atypisch ist.
  6. Einlagepflicht: Sind Gesellschafter zur Zahlung von Einlagen an die Gesellschaft verpflichtet, ist dies ebenfalls ein starker Indikator für eine körperschaftliche Organisation. Legt die Satzung hingegen keinerlei konkreten Betrag als Stammkapital fest oder haben die Geschäftsanteile keinen Nennwert, ist dies ein starker Gegenindikator.
  7. Lebensdauer: ist das Bestehen der Gesellschaft befristet, ist dies eine starke Gegenindikation zum Vorliegen einer Kapitalgesellschaft.
  8. Gründungsvoraussetzungen: Die Gründung einer Kapitalgesellschaft setzt in aller Regel einen formalen Registrierungsakt zwingend voraus. Entsteht eine Gesellschaft durch den rein privaten Abschluss eines Gesellschaftsvertrages, spricht dies gegen das Vorliegen einer Kapitalgesellschaft.

Der Typenvergleich selbst bezieht sich auf das Gesellschaftsrecht und nicht auf das Steuerrecht. Auch Doppelbesteuerungsabkommen haben daher nur eine begrenzte Aussagekraft hinsichtlich der Einstufung einer Gesellschaft.

Fazit

Der Typenvergleich ist eine etablierte Rechtsfigur, mit deren Hilfe ausländische Gesellschaften mit deutschen Gesellschaften verglichen werden können. Der Typenvergleich dient primär steuerlichen Zwecken, knüpft dabei allerdings an das Gesellschaftsrecht an. Nur Behörden und Gerichte können eine verbindliche Einstufung vornehmen. Eine falsche Einstufung kann zu gravierenden steuerlichen Pflichtverletzungen bis hin zur strafbaren Steuerverkürzung führen.

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